Das Zeichen Jonas
Bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Herr Jesus als Mensch geboren wurde, war den Schriftgelehrten und den Pharisäern bekannt, mit wem sie es zu tun hatten, denn sie beantworteten die Frage des Herodes nach dem Geburtsort Jesu Christi wie folgt: «In Bethlehem in Judäa; denn so steht durch den Propheten geschrieben: 6 ‹Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die Geringste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird ein Führer hervorkommen, der mein Volk Israel weiden wird›» (Mt 2, 5. 6). Als der Herr Jesus sich durch Johannes taufen liess, erging eine Stimme vom Himmel. Der Vater in den Himmeln selbst bestätigte, dass es sich beim Herrn Jesus um Seinen geliebten Sohn handelte. Im Rahmen Seines öffentlichen Dienstes erfüllte der Herr Jesus weitere, bei den Schriftgelehrten gut bekannte Prophezeiungen, wie etwa diese: «Siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten. 5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden; 6 dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und jubeln wird die Zunge des Stummen» (Jes 35, 4–6). Als Johannes der Täufer in grosser Bedrängnis plötzlich daran zweifelte, dass der Herr Jesus wirklich der verheissene Christus war, berief sich der Herr in Seiner Antwort an ihn auf diese Stelle (vgl. Mt 11, 5; Lk 7, 22). Der aufmerksame Leser wird in den Evangelien unzählige weitere Beweise dafür finden, dass der Herr Jesus wirklich der verheissene Christus gewesen ist. Den Schriftgelehrten musste dies ebenfalls bewusst gewesen sein. Dennoch forderten sie Ihn heraus, indem sie um ein (weiteres) Zeichen baten.
Die Forderung nach einem (weiteren) Zeichen darf nicht mit der einer echten Unsicherheit entspringenden Bitte um ein Zeichen verwechselt werden, wie wir es beispielsweise in Bezug auf Gideon beschrieben finden (vgl. Ri 6, 34–39). Gideon war von Gott selbst dazu berufen worden, Israel aus der Hand Midians zu erretten. Dieser Ruf hätte genügen sollen, aber Gideon war sich nicht sicher, ob er den Herrn recht gehört hatte. Er bat Ihn deshalb, ihm ein Zeichen zu schenken. Diese Bitte wurde erfüllt. Dann bat er Ihn aber nochmals um ein weiteres Zeichen. Doch auch diese Bitte wurde erfüllt. Später stärkte der Herr die Hand Gideons dann sogar noch ein drittes Mal, indem Er ihn hören liess, dass ein Midianiter den Sieg Gideons bereits in einem Traum vorhergesehen hatte. Gideon benötigte diese wiederholten Bestärkungen und hätte ohne diese seinen Auftrag nicht ausführen können, obwohl der Wille dazu bei ihm vorhanden gewesen ist. In dieser Lage konnte und wollte Gott seiner Schwachheit gedenken und ihm entgegen kommen. Bei den Schriftgelehrten war der Wille zum Gehorsam gegenüber Gott und Seinem Christus aber nicht vorhanden. Sie waren nicht willig und unsicher, sondern unwillig, aber sicher. Ihre angebliche Unsicherheit war nur vorgeschoben, um ihren Unwillen zu verschleiern.
Handeln wir nicht manchmal ebenso? Wir erkennen den Willen Gottes für unser Leben hinsichtlich eines ganz bestimmten Punktes, aber wir wollen nicht gehorchen. Um dem Herrn nicht sagen zu müssen, dass wir nicht wollen, tun wir so, als wären wir unsicher, ob wir Ihn richtig gehört hätten. Wir bitten Ihn um ein Zeichen der Bestätigung, in der Hoffnung, dass Er uns diese Bitte nicht erfüllen würde. Solange nämlich das Zeichen ausbleibt, können wir uns einreden, wir seien noch zu gar nichts verpflichtet. Wie vermessen ein solch hinterhältiges Auftreten gegenüber Gott ist, braucht wohl nicht gesondert erwähnt zu werden. Doch bedenken wir bitte auch, dass wir uns durch ein solches Verhalten selbst Segen vorenthalten. Zwar trifft es zu, dass die Schnitte, die der Weingärtner an den Reben vornimmt, schmerzhaft sind und sogar zum Ausbluten führen könnten, wenn sie zur falschen Zeit vorgenommen würden. Doch der vollkommene Weingärtner schneidet niemals an der falschen Stelle, niemals zur Unzeit und niemals ohne Not. Jeder Schnitt dient dazu, den Segen zu mehren, für mehr Frucht zu sorgen. Wenn wir uns einem Schnitt verweigern, tragen wir selbst dazu bei, dass wir verkümmern. Jede Verweigerung des Gehorsams führt unweigerlich dazu, dass wir den geraden Pfad verlassen, dass wir aus dem Segen fallen. Dies mag uns selbst vielleicht eine Zeit lang gar nicht auffallen, aber der Moment wird kommen, da wir erkennen werden, dass wir letztlich nur uns selbst geschadet haben. Es kann nicht oft genug betont werden, dass nur der Weg Gottes der Weg ist, der uns erfüllt und befriedigt. Jeder andere Weg führt letztlich zum Tod (Spr 14, 12; Spr 16, 25). Auch wenn der Weg Gottes steinig ist, ist er besser als jeder andere Weg. Glückselig ist daher der Mann oder die Frau, der oder die von Herzen erkannt hat: «11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend; ich will lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Gottlosen» (Ps 84, 11). Wer dies erkannt und ergriffen hat, hält einen wesentlichen Schlüssel zu einem glücklichen und von den äusseren Umständen unabhängigen Leben in der Hand. Ach, möchten wir doch Tag für Tag weicher, geschmeidiger Ton in den Händen des vollkommenen Töpfers sein, der zu einem auserlesenen Gefäss verarbeitet werden kann!